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Stephan Hähnel, Jan Eik (Hrsg.)
Mausetot in Spreeathen
jetzt nur 3,50 €


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Einband: Paperback
Erscheinungsdatum: 1. November 2013
Preis: 12,90 EURO
ISBN: 978-3-98156 04-9-7



Leseprobe zu "Mausetot in Spreeathen"

Mir geht es gut. Ich muss nicht länger ins Gymnasium gehen und habe trotzdem keine Langeweile. Nebenan hängt ein Fernsehapparat an der Decke. Ich schaue mir gern Tierfilme an, am liebsten über Fische. Oder Kochsendungen. Ich kann sehr leckere Suppen zubereiten. Das Geheimnis liegt darin, die Knochen sehr gut auszukochen. Aber ich muss nicht in der Küche stehen. Ich brauche mich um nichts zu kümmern. Nette Menschen sorgen sich um mich. Sie bringen mir Essen und Getränke und frische Wäsche. Und sie reden mit mir, wenn ich will. Aber auch so habe ich genügend Unterhaltung. Meine Freunde Robin, Klara und Peer sind immer für mich da.
Vor meinem Fenster ist alles grün, vom Frühling bis zum Herbst. Ich schaue direkt in einen Park, einen großen Park. Manchmal gehe ich dort spazieren.
Früher ging es mir noch besser als jetzt. Jedenfalls abends, wenn ich bei Mutti im Bett schlafen durfte. Nur der Heimweg vom Gymnasium war nicht gut. Da wollten mich die anderen Jungs immer verhauen. Und sie haben mir hinterher gerufen: "Ödi, Pödi, Schnödi! Dominik hat einen Muttitick!"

Später lebte ich in einem komischen Zimmer. Es gab darin keine Möbel. Die Wände und der Fußboden waren gepolstert. Ich trug ein Nachthemd. Jemand hatte die Ärmel zusammengebunden. Aber ich war selbst schuld daran. Ich hätte dem Polizisten nicht zwei Finger abbeißen dürfen. Nun kann er nicht mehr schießen. Fünf Bier für die Männer vom Sägewerk!
Falsch, ganz falsch! Das ist nicht lustig! Es tut mir alles so leid. Auch um Mutter. Sie hätte mir geholfen. Aber sie konnte nicht mehr sprechen, so ganz ohne Kopf. Allerdings hat die Suppe sehr gut geschmeckt.
Die Elektroschocks haben mein Gehirn püriert. An meinem Kopf war ein Brett angenagelt. Die Gedanken prallten dort ab. Tennis, Tennis, Tennis. Rosa Kügelchen = weiche Angabe, grüne Kügelchen = harter Aufschlag.
Seitdem ich die Tabletten in meinem Strumpf sammele, fühle ich mich wohler. Ich lerne jetzt viel schneller. Wie benutze ich ein Telefon? Wo kaufe ich einen Fahrschein für den Bus? Was muss ich machen, wenn die Ampel rot zeigt? Wie viel kostet eine Schrippe? Was bedeutet: How are you? Im Gymnasium hat der Unterricht nicht so viel Spaß gemacht.
Robin, Klara und Peer sind viel klüger als ich. Sie wissen Bescheid und sagen mir vor. Bisher habe ich alle Prüfungen bestanden.
Robin, Klara und Peer kenne ich von der achten Klasse. Sie haben mich nie gehänselt. Obwohl wir bestimmt schon in die Zwölfte gehen, sind sie nicht älter geworden. Sie tragen auch immer die gleichen Sachen, so wie ich. Der Unterschied ist: Meine sind weiß und ihre sind bunt. Das gefällt mir an ihnen.

Aus "Ödipuskomplex" von Wolfgang Schüler in "Mausetot in Spreeathen"